Aus: Fotos für die Pressefreiheit 2022

Lage der Pressefreiheit in Somalia

Abdiaziz Mohamud Guled war in Somalia einer der prominentesten Reporter. Seine mutigen Berichte gegen die islamistische Shabab-Miliz bezahlte er mit dem Leben. Die Terrorgruppe ist für die Hälfte aller Journalistenmorde in Afrika verantwortlich.

Am 20. November war der Direktor von Radio Mogadishu, Abdiaziz Mohamud Guled, mit seinem Kollegen Sharmarke Mohamed Warsame, dem Direktor des Somali National Television (SNTV), in der somalischen Hauptstadt unterwegs, als sich ein Mann mit Sprengstoffweste auf seinen Wagen warf. Guled und der Attentäter starben bei der Explosion, Warsame und der Chauffeur überlebten schwer verletzt. Unmittelbar danach bekannte sich die islamistische Shabab-Miliz zu dem Anschlag. 

Der 42-jährige Guled war bekannt für seine Interviews mit ehemaligen Geiseln der Terrororganisation, die mit Al-Kaida in Verbindung steht. Seit 15 Jahren ist die islamistische Rebellengruppe in Somalia aktiv und kontrolliert Teile des Landes. Dort setzt sie eine strenge Auslegung der Scharia durch. Die Islamisten lassen in ihrem Herrschaftsbereich nur politische und religiöse Propaganda zu, das Internet zu nutzen, ist verboten. 

Guled war der zweite Journalist, der in 2021 von Shabab-Anhängern getötet wurde. Am Abend des 1. März hatten zwei bewaffnete Männer den Radioreporter Jamal Farah Adan im zentralsomalischen Galkayo auf offener Straße erschossen, als dieser vor dem Laden seiner Familie saß. Der 56-Jährige war freier Mitarbeiter der drei wichtigsten Ra­dio­sender in der Region. Kollegen berichteten, dass er vor dem Anschlag bereits Drohungen von den Islamisten erhalten habe: Er hatte sie kritisiert wegen ihrer gewalttätigen Operationen. 

Somalia gilt für Journalistinnen und Journalisten seit Jahren als eines der gefährlichsten Ländern Afrikas. Seit 2010 wurden dort mehr als 50 Medienschaffende getötet – das ist fast die Hälfte aller Journalistenmorde in ganz Afrika im selben Zeitraum. In der Hauptstadt Mogadischu ist die Lage so riskant, dass manche Mitarbeiter in den Räumen ihrer Redaktionen wohnen, um unnötige Wege zu vermeiden. Meist ist die Shabab-Miliz für die Anschläge verantwortlich. Aber auch die Regierung hält sich nicht an ein Moratorium zur Wahrung der Pressefreiheit, zu dem sie sich ein Jahr zuvor gegenüber Reporter ohne Grenzen verpflichtet hatte: Sie lässt kritische Medien schließen – und mindestens 19 Journalisten wurden 2021 aufgrund ihrer Arbeit willkürlich inhaftiert.

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